Mühlviertel 2022; Tagebuch der KSC-Wanderer im Mühlviertel,

                  mit Hans Binder im Mai 2022

Autor: Eberhard Weidner

Tief im Wald, da steht im Mühlviertel ein Haus,
aus dem schau’n acht Madl raus, so hübsch und fein“

1.Tag Traunsee + „Tour de baatz“ zum Laudachsee

Erster Eindruck: Vor uns am Mero zu nachtschlafender Zeit (also um 7.28) stand keine riesige Schlange von Menschen mit Unmengen von Gepäckstücken, sondern 12 KSCler, alle wohlgemut und erwartungsvoll für die große Reise ins Mühlviertel. Irgendwann hatten alle 12 alles gecheckt was frau/man so braucht, also Impfpässe, Masken, Ausweise, Pickerl und Packerl und ganz wichtig den Geldbeutel, wenn man sich auf den Weg nach Gutau macht. Gutau? Also das ist im Mühlviertel, genauer im Unteren Mühlviertel und das kommt gleich hinterm Böhmerwald. Alles klar? Natürlich, zuerst kommt der Abstecher zum Mondsee und dann der Zwischenstop am Traunsee und dort waren wir in der Jugendzeit von Hans angekommen.

Also schön war’s wirklich am Traunsee, die Berge, die Treueschlösser, die Hochzeitsinsel, der See, die Wirtshäuser. Aber was soll das, nur zwei Seen für 12 KSCler? Das kann es doch nicht geben, deshalb weiter –jetzt zu Fuß- zum Laudachsee. Auch schön, aber diese „Tour de Baatz“ rutschend über Stock und Stein, Matschlöcher ausweichend unterm Traun- und Katzenstein, die fühlte sich so an, als hätten wir mindestens 1000 Höhenmetern bewältigt und das in rekordverdächtigen 94 Minuten. Die Alm lag prächtig am Laudachsee, es regnete nicht mehr, die Sonne schien, wir waren durstig, nur … der Wirt hatte dem Wetter nicht getraut; ungestärkt und ohne leistungsfördernde Getränke vorsichtig und deshalb absturzfrei zurück wieder zum Traunsee.

Schließlich kamen wir doch noch rechtzeitig via Linz in Gutau an und stürzten uns sofort in unser … nächstes Erlebnis: Quartiermachen beim Kirchawirt in Gutau. Die Wirtsleut‘ fast noch gestreßt vom großen Erfolg des Gutauer Färbermarktes in den Vortagen, aber gut gelaunt, die Zimmer groß und sauber, die Fenster frisch geputzt. Alles war bestens organisiert. Alles? Fast alles!

Running Gag des ersten Abends: Ein Fenster ohne Vorhang im Bad öffnete sich zum Gutauer Marktplatz. Das war Anlaß für ausgiebige Schilderungen, was alles passieren könnte, wenn einer dort unten genau in einem bestimmten Moment nach oben schauen würde.

2. Tag „Via mystica, entlang am eisenerzernen Wasser, zum Mönch und zur Prandegg und dann ins blaue Wunder von Gutau“

Abmarsch –pünktlich- zur Via Mystica hoch über den Klausbach zur sehr schön renovierten Klausmühle mit einem Garten, der die ganze Kreativität des Mühlviertels zeigte, Granitblöcke in allen Formen garniert mit Palmen. Von dort strammen Schrittes durch dichten Wald zum Russenversteck, vorbei an geheimnisvollen, moosbewachsenen Steinformationen mit versteckten Winkeln, kleinen Höhlen, zu nie austrocknenden Schalensteinen ganz oben auf Granitfelsen. Und im Russenversteck? Dort sollen sich drei ältere Frauen aus der Pfarrei mit zwei Soldaten nach dem Krieg vor den sowjetischen Besatzern versteckt haben.  

Abstieg über die 1000-jährige Eibe zur Waldaist, am braunen, da eisenerzhaltigen Wasser entlang an aufgelassenen Mühlen über eine Hängebrücke zum eindrucksvollen Mönch, einem ziemlich hohen Granitfelsen mit höchsten Kletterrouten. Aber dafür hatten wir wirklich keine Zeit, denn eine der größten Burgruinen, die Prandegg wartete noch auf uns. Dort hinauf auf den ziemlich hohen Bergfried mit weitem Blick ins Mühlviertel bis hinüber nach Mähren und hinunter zu den Alpen. Beeindruckend unten vor allem aber ein „start-up“, das aus einer verfallenen, uralten Meierei erfolgreich eine Taverne, eine Kulturstube, eine Freiluftarena, einen Festsaal, ein Museum entwickelt hat.

Die Sonne brannte auf die weisen Häupter, der Durst war groß, die Schnitzel riesig – die Rast nach all den Auf- und Abstiegen über Berge und in tiefe Täler mit amtlich 1.167 Höhenmetern, die hatten wir uns wohlverdient. Wenn nur nicht der Höhepunkt des Tages noch auf uns gewartet hätte. Irgendwann war es aber doch soweit, wie ließen uns zum UNESCO Kulturerbe, dem Färbermuseum in Gutau chauffieren.

Hans hatte eine Führerin engagiert, die uns die Geheimnisse des Blaudrucks, das Färben mit Indigo, diesem so ausdrucksstarken Blau, all die vielen händischen Arbeitsschritte, die Mühen und Plagereien, die Kunst der Modeln/der Druckstöcke und das Wissen –heutzutage würde frau/man von tiefen Kenntnissen angewandter Chemie sprechen- erklärte. Im Museumsshop konnten wir dann die wunderbaren Stoffe in die Hand nehmen und … mitnehmen (gegen Bezahlung). Als Liebhaber alles Schönen können wir jetzt fachkundig bestätigen, Blaudruckdirndl sind einfach schön.  

Am Abend, das Weinberger Schloß ohne Weinberg, aber mit ausgezeichnetem Restaurant und süffigem selbstgebrauten Roggenbier. 

3. Tag „per aspera ad astra oder auf den Spuren der Mühlviertler Waldler zum Sternstein“

Dank kurvenreichster Busfahrt zu den Sternsteinliften standen wir, manche etwas bleicher als üblich, aber ansonsten einigermaßen wohlbehalten vor unserem ersten Hindernis – dem Starkregen, der fast das Aussteigen verhinderte. Doch wer die Stand-by-Verbindung von Hans zum Petrus noch nicht kannte, der wusste spätestens ab diesem Zeitpunkt: alles kein Problem, alles bestens, für uns scheint die Sonne.

Also auf zum Gipfel. So richtig einig waren wir uns noch nicht, wie viele Gipfel wir erobern sollten oder nur aus der Ferne sehen wollten. Jedenfalls, es ging los zum:

Höchsten Gipfel während unserer Wanderwoche, erstaunliche 1125 Meter hoch, von unserem Ausgangspunkt dann aber für uns erprobte Bergler nur fast schon lächerliche 300 Höhenmeter, doch oben stand die 20 Meter hohen Sternsteinwarte, zu ersteigen über 80 ziemlich steile Granitstufen. Bei klarem Wetter hätten wir rundum sehen können vom Dachstein über den Watzmann zum Moldaustausee und die Kühltürme des Atomkraftwerkes Temelin, aber gerade in dem Augenblick schien die Funkstrecke vom Hans zum Pförtner ganz da oben nicht so recht zu funktionieren. Auch die europäische Wasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Ostsee überschritten wir –ohne es richtig zu bemerken. Macht nix, denn alle waren in Vorfreude auf die wohlverdiente Einkehr in der Waldschenke. Die Speisekarte war einladend, die Getränke schienen wir fast schon zu schmecken. Nur was war da los? Wir trafen auf die erste Hundestaffel, dann die zweite, und schließlich noch eine dritte, die österreichische Armee war im Einsatz. Ja, der Überfall der Russen auf die Ukraine war ganz nah am ehemaligen Eisernen Vorhang sichtbar. Das Wirtshaus aber, das hatte geschlossen.

Was blieb uns übrig? Ganz entspannt ließen wir uns chauffieren, diesmal zum Mittagessen mit dem Bruder von Hans nach Bad Leonfelden, einem reizenden kleinen Städtchen.
Von dort weiter zum kulturellen, schulischen, medizinischen und wirtschaftlichen Zentrum des Mühlviertels nach -Nein nicht von Gutau ist die Rede, sondern von Freistadt; eine ehemals freie Bürgerstadt mit mittelalterlichen Stadtmauern, einem zum Bewegungspark umgestalteten Stadtgraben, K+K-Wehrtürmen, stattlichen Bürgerhäusern, den die Stadtsilhouette prägenden Kirchen und dem leider von Autos gekaperten an sich sehr schönen Stadtplatz.

Dort wartete für Hans die erste große Herausforderung – Stadtführer einer abgekämpften, erschöpften Truppe und noch dazu in praller Sonne … doch plötzlich, Wolken verdunkelten den Himmel, Regentropfen fielen erst langsam, es wurde kälter, aber schon in Sichtweite … die Brauereikommune Freistadt. Wir konnten draußen sitzen, die Infrarotwärme strahlte von oben, das Essen war gut und reichlich und das Trinken, fünf Biersorten zum Testen in gaaanz kleinen Gläsern. Trotz allem, das Stimmungsbarometer blieb unverändert hoch.

Zurück nach Gutau, nein … nicht in die Wirtsstube, sondern in die spätgotische Kirche mit wunderbarer Akustik und dem vielstimmigen KSC-Sponti-Chor. Später dann im Kirchawirt Hans an der Mundharmonika und viele Diskussionen über die Zukunft von kleinen Gemeinden mit leerstehenden Geschäften, die Verödung von Marktplätzen und Möglichkeiten der Ortsgestaltung.

Überhaupt Gutau:

Was dieser kleine Markt mit seinen fast 3000 Einwohnern alles schon erreicht hat und tut, wovon andere reden und wie engagiert sich die Bürger einbringen, einfach sagenhaft. Der Marktplatz bald neu gestaltet, Baulandreserven durch Abbruch von Bauruinen aktiviert, leerstehende Häuser wieder hergerichtet, Arbeitsplätze geschaffen, das Blaufärben als historisches Kapital genutzt, erneuerbare Energien erzeugt und genutzt, das Naturerbe bewahrt, Freizeitangebote ausgebaut, das Ehrenamt als Sozialkapital angesehen. Wer früh um 5.00 durch Gutau geht, der sieht, was alles schon passiert ist: Der zu einem sehr einfallsreich gestalteten Spielplatz führende Bachpanormaweg im idyllisch gelegenen Tal, das Hallenbad, die Infos zu erneuerbaren Energien, die schon geöffnete Bäckerei, der Schreiner mit toller Ausstellung seiner Objekte, die Kirchgängerinnen zur Frühmesse, das Rathaus in dem sehr früh gewerkelt wird, die preisgekrönte Mediathek – es tut sich viel in Gutau und nicht zu überhören, die Kirchenglocken läuten für die Spätaufsteher um 6.00 Uhr.

4. Tag „vom Buchberg übern Braunberg ins spirituellen Herz des Mühlviertels“

Wie immer pünktlich machten wir uns auf den Weg zum Buchberg – mit dem Auto. Aber natürlich war alles sorgfältig geplant, denn zuerst kamen die Wanderungen auf die mehr an große Hügel erinnernden Berge. Nur unterschätzen durfte frau/man weder den Buch- noch den Braunberg.
Aber der Reihe nach: Am Wildgehege des Fürsten vorbei den ersten Hügel hinauf, auf schmalen Pfaden durch die Wiesen, den schwer bewaffneten Orientierungsläufern (mit Karten und Sturmgewehren) des österreichischen Heeres ausweichend bis zum Hof einer der vielen Verwandten von Hans, die nicht nur selbstgebranntes Obstwasser ausschenkten, sondern uns auch mit seniorengerechten Witzen bestens unterhielten. Dann mit langem Anlauf den Buchberg hinauf, leisen Protest überwindend in die nächste Senke hinab, jetzt rechts hinauf und schon waren wir da bei den mächtigen Felsbrocken aus dem Erdaltertum.

Reste der alten Burg haben wir nicht gefunden, stattdessen eine Aussichtswarte, die durch zwei künstlerisch gestaltete Pforten der Achtsamkeit betreten werden konnte. In der zweiten Pforte sollte sich die Leichtigkeit des Lichtes spiegeln, der Blick durch den Kugelvorhang auf das Eisenkreuz stellte dann auf geistiger Ebene die Verbindung nach oben her. Ein schönes Projekt im alten Burggraben dann die Stoamandeln, die symbolisch die neue Warte bewachen. Natürlich durfte auch ein Steinmandala nicht fehlen. Ein Haiku hier, ein anderes da. Es schien als hätten hier alle Kulturen ein Stück ihrer esoterischen Heimat gefunden.
Aber ganz profan, unten im Turm der Warte hatten die kreativen Erbauer mit einem sehr ansprechend gestalteten Selbstversorgerbereich die müden Bergwanderer nicht vergessen.

Doch die Zeit drängte, also weiter hinauf den Berg, Gipfelkreuzfoto geschossen, hinab ins nächste Tal und hinauf zum Braunberg. Dort verweigerten alle KSCler*innen die letzten 10 Höhenmeter zum Gipfel. Sie bogen links ab, kehrten rechts ein und fielen auf die Bänke der Braunberghütte. Empfangen von der Wirtin, lernten wir sofort deren Mühlviertler Durchsetzungsvermögen kennen. Ihre besondere Art, sehr rau und dennoch doch irgendwie herzlich, lernten wir schätzen, denn in Nullkommanix hatten alle etwas zu Trinken und zu Essen.

Von der Berghütte mit ihren menschlichen und sättigenden Spezialitäten hinab ins nächste tiefe Tal und von dort nach Kefermarkt. Ein an sich unbedeutender Ort mit einer bedeutenden Wallfahrtskirche und darin noch weit bedeutender, der berühmte Kefermarkter Flügelaltar, eines der bedeutsamsten europäischen Meisterwerke der Spätgotik. Im 15. Jahrhundert ganz aus Holz geschnitzt, die Figuren filigran gearbeitet, jedes kleine Detail so plastisch dargestellt, dass alle Kirchgänger, die damals nicht lesen und schreiben konnten, das Evangelium in der Sprache der Schnitzkunst verstehen konnten. Gleichzeitig war der Altar so groß, daß um ihn herum der Kirchenchor vergrößert werden musste. Ganz wagemutige KSCler entehrten noch die Kanzel und standen so einigen der vielen Heiligen fast schon auf gleicher Höhe gegenüber; grandios, dieses Werk eines unbekannten Meisters.  

Aber das war bei weitem nicht alles, was Hans uns an diesem Abend noch anzubieten hatte. Es ging nach Erdmannsdorf, zu seinem Heimathof in einem 300-Seelen-Ortsteil von Gutau.     

5. Tag „Ade Gutau und auf nach Linz zum Sightseeing“

Pünktlich um 6.00 läuteten die Kirchglocken gleich neben unserer Unterkunft, dem Kirchawirt. Zeit zum Aufstehen, in jedem Fall aber zum Erinnern an den gestrigen Abend im Wirtshaus beim Scharti mit sagenhaft gut schmeckenden Tapas nach Mühlviertler Art und natürlich mit einem der Brüder von Hans.

Aber schließlich mußten wir uns doch von Gutau verabschieden, die Wirtin sorgte noch mit einem „Gutti“ für Reiseproviant, eine Färberschokolade, in der sich eine raffinierte Blaue-Zwetschgen mit wahrscheinlich Mühlviertel-Trüffel-Füllung verbarg.

Frühstück genießen, Reiseproviant einpacken und außerdem -kein KSCler durfte hungrig heimkommen- schnell noch im Dorfladen (natürlich Gutauer Schafs- und Ziegenkäs und Bauernbrot und Tee und …) einkaufen. Doch wir machten uns nicht auf die Heimfahrt, sondern landeten erst einmal bei einer Schwägerin von Hans. Die hatte am Vorabend gesehen, einige der KSCler hatten in der Wanderwoche noch nicht ausreichend Gewicht gemacht, folglich fühlte sie sich verpflichtet bereits in Allerhergottsfrüh um 5.00 aufzustehen und für uns köstliche Bauernkrapfen zu backen. Als inzwischen vielfach geprüfte Genußsachverständige konnten wir „Mühlviertler Auszogne“ ausgiebig loben und genießen  – hmm, waren die gut.

Jetzt aber war es doch Zeit Richtung Linz zu fahren;
zuerst zum Parkplatzsuchen, dann weiter zum Zukunftsmuseum ins Ars Electronica,
über die Nibelungenbrücke mit Blick aufs Brucknerhaus –der bedeutende Komponist der Kirchenmusik und Schöpfer großartiger Symphonien- und Lentos-Museum mit seinen vielen Werken moderner und zeitgenössischer Kunst, zum Schloßmuseum Lentia und zum Linzer Hauptplatz mit der Dreifaltigkeitssäule, zurück über die Donau zum Bauernmarkt und zum Einkaufen.

Schnell noch zwei Kirchen gesehen und ab in den Neuen Dom, der größten Kirche Österreichs mit den berühmten Fenstermalereien, hinauf auf den Pöstlingberg, sagenhafte 280 Höhenmeter erklommen,
Linzer Torte gekauft und dann kam der Nachmit-Tag an dem der Regen kam, deshalb ganz kurze Einkehr bei wem?
Bei einem Kirchenwirt natürlich und schließlich mußten wir noch die vielen Schmankerl verdauen und Eindrücke verarbeiten, also ab ins Auto und zurück zum Mero.   

Nehmt Abschied … ungewiß ist alle Wiederkehr … “    

Vieles hätten wir noch unternehmen sollen, beispielsweise so lange warten bis das Hallenbad öffnen würde oder eine botanische Exkursion oder ein Museumsbesuch oder dieses Konzert oder jene Felsformation mit ihrem mythischen Kraftplatz oder diese Burgruine oder jenes Schloß oder die lokalen Köstlichkeiten und natürlich noch ganz viele Berge.

Wir wissen aber auch, wenn’s am schönsten ist, soll man aufhören. Deshalb bedanken wir uns

Gabi, Irmi, Marie und Mika,
Angelika und Fritz,
Babett und Gerhard,
Elfriede und ich,

für diese großartige Woche und sagen Euch beiden,  

liebe Brigitte und lieber Hans,

V E R G E L T S G O T T